NewsVermischtesBündnis fordert lückenlose Veröffentlichung für alle klinischen Studien
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...

Vermischtes

Bündnis fordert lückenlose Veröffentlichung für alle klinischen Studien

Dienstag, 14. Mai 2024

/Supapich, stock.adobe.com

Berlin – Klinische Studien unterliegen nicht für alle Medizinbereiche gesetzlichen Veröffentlichungspflichten. Dadurch würde das Gesamtbild der verfügbaren Evidenz verzerrt, wodurch es zu klinischen Fehlentscheidun­gen kommen könne, warnte gestern das „Bündnis Transparenz in der Gesundheitsforschung“ auf einer Presse­konferenz, bei der sie ein Positionspapier vorstellten.

Schon 2021 dokumentierte eine Studie des Berlin Institute of Health (BIH) die enorme Schieflage: Innerhalb von zwei Jahren nach Studienabschluss veröffentlichten etwa 43 Prozent der deutschen Universitätskliniken die Ergebnisse (2014-2017) mit einer leichten Tendenz zur Verbesserung im Vergleich zu den vorangegange­nen Jahren.

„Nach fünf Jahren, also einem relativ langen Zeitraum nach Studienabschluss, haben immer noch 30 Prozent der Studien keine Ergebnisse veröffentlicht“, erklärte Ko-Autor Jörg Meerpohl, Direktor des Instituts für Evidenz in der Medizin vom Universitätsklinikum Freiburg die Ergebnisse der Studie, für die gut 1.600 Studien ausgewertet wurden (Journal of Clinical Epidemiology; DOI: 10.1016/j.jclinepi.2021.12.012).

Diese 30 Prozent entsprechen 188 Studien mit mehr als 21.000 Teilnehmenden. Die Kosten für diese Studien lagen schätzungsweise im dreistelligen Millionenbereich. Das Deutsche Ärzteblatt hat berichtet.

Während im Bereich von kommerziellen klinischen Arzneimittelstudien und Medizinprodukten auf EU-Ebene inzwischen deutlich mehr Transparenz herrscht (EU-Verordnung 536/2014 und EU-Verordnung 745/2017), fehlen solche Regeln für sogenannte „Non-Arzneimittel-Non-Medizinprodukte“-Studien, beispielsweise in der Chirurgie, Zahnheilkunde, Psychotherapie oder Physiotherapie. Diese Lücke macht nicht nur dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zu schaffen.

Die unsichere Datenlage erschwert es auch Fachgesellschaften, die Leitlinien erstellen, Ärztinnen und Ärzten, die Literatur recherchieren und freiwilligen Studienteilnehmenden, erklärte Stefan Sauerland, Leiter des Res­sorts Nichtmedikamentöse Verfahren am IQWiG bei der Pressekonferenz.

Im schlimmsten Fall bedeute eine lückenhafte Datengrundlage, dass neue Medizinprodukte, Methoden oder Behandlungsmethoden allgemeiner Art nicht beim Patienten ankommen, sich verzögern oder auch falsche Entscheidungen getroffen werden.

Warum werden Studienergebnisse nicht publiziert?

Eine systematische Übersichtsarbeit im Journal of Clinical Epidemiology (DOI: 10.1016/j.jclinepi.2015.01.027) konnte 2015 zeigen, dass Zeitmangel der am häufigsten genannte Grund und auch der wichtigste Grund für die Nichtveröffentlichung war. Weitere häufig genannte Gründe waren Zeit- und/oder Ressourcenmangel, Veröffentlichung ist kein Ziel, niedrige Priorität, unvollständige Studie und Probleme mit Co-Autoren. In einer anderen systematischen Überprüfung wurden als Hauptgründe ebenfalls Zeitmangel genannt, aber auch niedrige Priorität und Angst vor Ablehnung durch Fachzeitschriften (Plos One, 2014; DOI: 10.1371/journal.pone.0110418).

Die gesetzliche Lücke solle geschlossen werden, betonte Meerpohl, der auch Direktor von Coch­rane Deutschland ist.

Er und Sauerland sind zwei der neun Autoren des Positionspapiers, zu denen neben Cochrane Deutschland und dem Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (EBM) auch Vertretende von HTA.de und dem BIH Quest Center zählen.

Das Bündnis fordert das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) auf, Rahmenbe­din­gungen für eine vollständige Studienregistrie­rung und Ergebnisveröffentlichung in Deutsch­land zu schaffen und eine gesetzliche Regelung vorzuschlagen.

Mit Anreizen solle ein aktives Pflegen der Regis­tereinträge gefördert, aber auch eine dauerhafte Nichtveröffentlichung sanktioniert werden, heißt es im Positionspapier.

Das Bündnis sehe seine primäre Zielsetzung darin, auf dieses Problem aufmerksam zu machen, wolle sich bei der realistischen Umsetzung aber eher zurückhalten, sagte Meerpohl. Die Lücke könne am besten gemeinsam mit Vertretenden der Ethikkommissionen, der Koordinierungszentren für klinische Studien (KKS) sowie der Politik, geschlossen werden – möglichst ohne unnötig großen bürokratischen Aufwand.

Nicht alle haben die Forderungen unterzeichnet

Unterzeichnet haben diese Forderung auch zwölf weitere Organisationen, unter anderem die AWMF und das IQWIG. „Die Intention des Positionspapiers halten wir für richtig“, sagte Rolf-Detlef Treede, Präsident der AWMF. Einige Aspekte der Umsetzung sollten aber überarbeitet werden. „Hierzu zählt unter anderem die Erhöhung des bürokratischen Aufwands durch zusätzliche gesetzliche Regelungen durch das Bundesgesundheitsministerium, oder die Überflutung der Öffentlichkeit mit ungeprüften Rohdaten durch Preprint-Server“, erklärte Treede.

Nicht unterzeichnet haben das Positionspapier hingegen die Koordinierungszentren für klinische Studien (KKS) sowie der Arbeitskreis Ethikkommission (AKEK), da sie die Forderungen nicht vollumfänglich mittragen möchten.

Inhaltlich stehe das KKS hundertprozentig hinter der Forderung nach mehr Transparenz in der Wissenschaft, betonte Christine Fuhrmann, Vorständin des KKS Netzwerks und Leiterin der Studienzentrale des Studien­zent­rums Bonn (SZB), Universitätsklinikum Bonn. Das bestätigte auch Georg Schmidt, Vorsitzender des Ar­beits­kreis Ethikkommission (AKEK) vom Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM).

„Aus unserer Sicht trägt eine zusätzliche gesetzliche Regulation aber nicht dazu bei, dass wir als Forschungsstandort in Deutschland vorankommen. Das sind immer mehr Daumenschrauben, die uns und unseren Forschenden angelegt werden“, erläuterte Fuhrmann den Standpunkt des KKS.

Register-Übersicht

International Clinical Trials Registry Platform der WHO (ICTRP - eine Plattform, Die Registrierung selbst erfolgt für Deutschland im DRKS)

Quelle: KKS Netzwerk

Schmidt ging ausführlich auf die unzulänglichen IT-Lösungen in Deutschland ein, die für extrem belastete Forschende eine Hürde darstelle. „Die Registrierung ist nicht einfach. Wenn sie in einem WHO-Register eine Studie anmelden wollen, dann sind sie acht bis zehn Stunden damit beschäftigt“, berichtete der Leiter der Forschungsgruppe Biosignalverarbeitung am Klinikum rechts der Isar der TUM.

Die AKEK sei zusammen mit der DFG dabei, Studienregistrierungen durch elektronische digitale Tools zu vereinfachen. Die Registrierung solle schon beim Verfassen des Studienprotokolls anfallen.

Die Ursache, warum die AKEK nicht unterzeichnet habe, führt Schmidt aber auch auf die einfache Tatsche zurück, dass die AKEK beim Positionspapier relativ spät involviert wurde, so dass die Zeit für einen Konsens im Vorstand knapp war.

Medizinforschungsgesetz könnte Registrierung und Ergebnisveröffentlichung einfordern

Meerpohl bestätigte, dass man nicht frühzeitig auf alle beteiligten Stakeholder zugehen konnte. Das Bündnis wollte den aktuellen Zeitpunkt nutzen, um den Entwurf im vorliegenden Medizinforschungsgesetz (MFG) öffentlich zu thematisieren.

Denn im Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) ist eine Pflicht zur Registrierung und Publikation für Forschung mit Patientendaten aus der Versorgung (Gesundheitsdaten) zwar festgelegt. Die Gründe hierfür gelten im Sinne der Deklaration von Helsinki in gleichem Maße für klinische Studien.

Es gebe aber bislang keine gesetzliche Regelung, die die Registrierung und Ergebnisveröffentlichung für alle in Deutschland durchgeführten klinischen Studien einfordere, heißt es im Positionspapier. Das könnte über das MFG erfolgen, so die Hoffnung des Bündnisses. © gie/aerzteblatt.de

LNS VG Wort
LNS LNS LNS

Fachgebiet

Kennen Sie unsere Fachgebiet-Newsletter?

  • Dermatologie
  • Diabetologie
  • Gastroenterologie
  • Gynäkologie
  • Infektiologie
  • Kardiologie
  • Neurologie
  • Onkologie
  • Ophthalmologie
  • Pädiatrie
  • Pneumologie
  • Psychiatrie
  • Rheumatologie + Orthopädie
  • Urologie

Stellenangebote

    Weitere...

    Archiv

    NEWSLETTER