Lungenkrebs-Pille, Hautkrebs-Impfung, neue Therapien: Moderne Waffen gegen Krebs

Warum die USA Vorreiter sind und wo KI die Krebs-Medizin bereits verbessert

Mehrmals pro Monat werden Studienergebnisse zu neuen Medikamenten vorgestellt, die Krebspatienten das Leben retten sollen

Mehrmals pro Monat werden Studienergebnisse zu neuen Medikamenten vorgestellt, die Krebspatienten das Leben retten sollen

Foto: E+/Getty Images

Berlin – Es war die Woche der Hoffnungs-Meldungen in der Krebs-Medizin. Beim „Asco“, dem größten Krebs-Kongress der Welt in Chicago (USA) stellten Forscher aus aller Welt die neusten Studien zu Krebstherapien vor. Darunter die Nachricht, dass die Pharma-Konzerne Moderna und MSD das Rückfall-Risiko für Hautkrebs-Patienten mithilfe einer Krebsimpfung kombiniert mit einer Immuntherapie halbieren können. Pfizer stellte eine neue Lungenkrebs-Pille vor, die das Überleben verlängert. Die Forschung boomt weltweit – nur Deutschland hängt hinterher.

Eine Studie des Europäischen Patentamts (EPA) in München zeigt: In den vergangenen Jahren sind die Patentanmeldungen für innovative Krebs-Therapien in Deutschland deutlich weniger geworden – dabei lagen wir mal an der Spitze!

„Medikamenten-Forschung wird in Deutschland durch Bürokratie verkompliziert. Deshalb führen wir im Vergleich zu anderen Ländern viel weniger klinische Studien durch“, sagt Prof. Christof von Kalle. Er arbeitet am Institute of Health (BIH) und der Charité-Universitätsmedizin Berlin und hat sich darauf spezialisiert, neueste Forschungsergebnisse schnellstmöglich zum Patienten zu bringen.

USA haben bessere Forschungs-Voraussetzungen

Dabei ist Forschung die größte Hoffnung für Betroffene: Jedes Jahr erkranken 500 000 Deutsche neu an Krebs – mit steigender Tendenz: „Wir schauen beispielsweise mit großer Sorge auf die Zahl der HPV-Impfungen, die Gebärmutterhalskrebs vorbeugen können. Durch die Corona-Pandemie ist die Impfbereitschaft stark zurückgegangen und seitdem auch nicht wieder angestiegen. Das könnte künftig für einen Anstieg der Erkrankungen sorgen. Gleichzeitig wird unsere Bevölkerung immer älter: In Zukunft werden immer mehr altersbedingte Krebserkrankungen auftreten.“ 

Prof. Christof von Kalle arbeitet am Institute of Health (BIH) und der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Er ist außerdem Mitglied des Vorstands von „Vision Zero“ und Wissenschaftlicher Leiter des „Vision Zero“-Symposiums

Prof. Christof von Kalle arbeitet am Institute of Health (BIH) und der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Er ist außerdem Mitglied des Vorstands von „Vision Zero“ und Wissenschaftlicher Leiter des „Vision Zero“-Symposiums

Foto: Stefanie Herbst

Es braucht also schnell eine Lösung, um die Voraussetzungen für Studien zu vereinfachen. Der Blick ins Ausland zeigt: Das geht! Die USA gelten als Vorreiter: An hunderten Universitäten arbeiten die schlausten Köpfe des Landes an Durchbrüchen, um das Leben von Krebspatienten zu retten.

Dort fließen mehr öffentliche Gelder, aber auch Biotech-Investoren investieren Milliarden, um neue Therapien aus den Laboren der Universitäten auf den Markt zu bringen: „Der Gründungsgeist ist ein anderer: Aus Forschern werden Unternehmer. In den USA gibt es viel mehr Ausgründungen aus den Universitäten. Das haben wir in Deutschland lange versäumt. In Amerika bekommen Forscher Rückenwind, hier ist das eher ein schwerer Kampf gegen die Bürokratie.“ 

Das merken auch Patienten: Zuletzt warf die Bauchspeicheldrüsenkrebs-Erkrankung von Ex-Bundesliga-Profi Georg Koch (52) wieder die Frage auf, ob Medikamente in Deutschland zu spät zugänglich sind. Er verriet im Interview mit BamS, dass er mit Medikamenten aus den USA behandelt wird. „In den USA gibt es nicht mehr Krebsmedikamente auf dem Markt, auch die Zulassungsprozesse sind nicht schneller. Es entsteht nur der Eindruck, weil mehr Patienten Zugang zu Studien und damit auch zu innovativen Therapien bekommen“, sagt der Krebs-Experte.

Damit auch deutsche Patienten noch früher mit neuen Therapieansätzen versorgt werden können, will Gesundheitsminister Karl Lauterbach (61, SPD) die Durchführung von Studien mit seinem neuen Medizinforschungsgesetz vereinfachen: „Noch ist es nicht umgesetzt, aber das Gesetz könnte weniger Bürokratie und standardisierte Datenschutzregeln bedeuten. Das könnte Anreiz geben, auch in Deutschland wieder mehr an Medikamenten zu forschen“, erklärt Prof. von Kalle.

KI wird Krebs-Medizin revolutionieren

Denn auch hierzulande gibt es viele kluge Köpfe mit bahnbrechenden Ideen. Gerade in der Grundlagenforschung würden wir immer noch ganz oben mitspielen. Ein vielversprechender Nachwuchsforscher ist PD Dr. Titus Brinker (33). Er ist Hautarzt und leitet am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ) eine Gruppe, die sich mit Künstlicher Intelligenz (KI) in der Krebs-Medizin beschäftigt.

Dr. Brinker hat eine KI entwickelt, die genauer als ein Hautarzt ist und gleichzeitig ihre Entscheidung in der Sprache der Ärzte erklären kann: „Dadurch fallen Fehldiagnosen, ob von der KI oder dem Menschen, schneller auf und können vermieden werden.“ Künftig soll die KI in die Screening-Lupen eingebaut werden, um sie direkt am Patienten anzuwenden. „Langfristig könnte dieser Ansatz dazu beitragen, Fehldiagnosen mithilfe von KI auch bei fast allen anderen Krebserkrankungen zu minimieren“, sagt der Krebs-Forscher.

Auch Sprachmodelle wie ChatGPT können schon jetzt zu neuer Präzision und Geschwindigkeit bei Diagnosen und Behandlung verhelfen. Dr. Brinker und sein Team haben den „UroBot“ erschaffen. Ein Modell, das Fragen zu urologischen Krebserkrankungen beantworten kann: „Unsere ersten Studienergebnisse zeigen: Der UroBot kann knapp 90 Prozent der Facharztprüfungsfragen korrekt beantworten, Ärzte schaffen weniger als 70 Prozent.“ Laut Dr. Brinker könne die KI wie ein mobiles Lexikon das Wissen der Ärzte verbessern und die Kommunikation mit Patienten erleichtern: „Der UroBot kann laienverständlich erklären.“

Priv.-Doz. Dr. Titus Brinker arbeitet am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg

Priv.-Doz. Dr. Titus Brinker arbeitet am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg

Foto: Peter Mueller

KI wird jedoch nicht nur die Früherkennung und Kommunikation revolutionieren: Schon heute macht sie Operationen oder die Bestrahlung von Tumoren präziser. In den nächsten zehn Jahren wird der Einsatz noch ganz andere Dimensionen erreichen, da sind sich alle Experten sicher. Für Patienten heißt das: „Künstliche Intelligenz hat die Fähigkeit Muster zu erkennen, die wir Ärzte mit bloßem Auge nicht sehen. Künftig werden Patienten viel häufiger für neue Therapieansätze gefunden, statt neue Therapien für Patienten zu suchen“, sagt Prof. von Kalle.

Krebs-Helden kämpfen für die „Vision Zero“ 

Gerade bei der Kombination von Medikamenten wird die Nutzung von KI eine große Rolle spielen: „In Zukunft werden die Therapien immer individueller. Wir haben heute schon viele sehr gute Medikamente.“

Dazu gehören sogenannte molekulare oder zielgerichtete Therapien, die anhand der Gene des Tumors ausgewählt werden. Genauso wie Immuntherapien und Krebsimpfungen, die das körpereigene Immunsystem anregen, Krebszellen zu bekämpfen. Auch Chemotherapien spielen weiterhin eine wichtige Rolle, sie werden heute nur anders eingesetzt und haben deutlich weniger Nebenwirkungen. „Wenn wir Therapien schlauer kombinieren, können wir noch mehr Patienten heilen oder ihnen ein noch längeres und besseres Leben mit Krebs ermöglichen“, sagt Prof. von Kalle.

Das Ziel aller Innovationen in der Krebs-Medizin: die Zahl der vermeidbaren Krebstode gen Null zu drücken. Kurz: die Vision Zero! Um dieser Vision einen Schritt näherzukommen, treffen sich beim großen „Vision Zero“-Krebssymposium am 10. und 11. Juni wieder die Top-Experten aus Medizin, Forschung und Politik im Berliner Axel-Springer-Hochhaus.

Beim großen Vision Zero Krebssymposium am 10. und 11. Juni kommen die Top-Experten der Onkologie im Axel-Springer-Hochhaus in Berlin zusammen

Beim großen Vision Zero Krebssymposium am 10. und 11. Juni kommen die Top-Experten der Onkologie im Axel-Springer-Hochhaus in Berlin zusammen

Foto: Vision Zero
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